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Wir pflegen uns arm – wie Österreichs Pflege­system an seine Grenzen stößt

Bildgenerator: Google Gemini
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In Österreich steht das Pflegesystem vor einer gewaltigen Herausforderung. Laut dem Artikel „Wir pflegen uns arm“ von "Der Pragmaticus" ist jeder fünfte Österreicher über 65 Jahren so krank oder gebrechlich, dass er fremde Hilfe benötigt – ein im internationalen Vergleich sehr hoher Wert.


Gleichzeitig zählen die Gesundheitsausgaben zu den höchsten Europas. Dennoch: Das Resultat lautet mehr Pflegebedürftige – und ein System, das nicht effizient genug präventiv wirkt.


1. Der demografische Druck wächst

  • Österreich könnte bis 2070 mehr als zehn Millionen Einwohner haben – mit einer stark alternden Gesellschaft.


  • Der Pflegebedarf wird bis dahin um etwa 65 % steigen, die medizinischen Leistungen gar um etwa 70 %.


  • Folgen: Zusätzliche Ausgaben in der Höhe von rund vier Prozent der Wirtschaftsleistung – und das ohne Medikamente und indirekte Leistungen berücksichtigt.



2. Finanzierung und Systemlogik: Ein Ungleichgewicht

  • Während das Gesundheitssystem in Österreich nach dem Sachleistungsprinzip arbeitet (also konkrete Leistungen bereitstellt), setzt das Pflegesystem auf Geldleistungen mit hohen Eigenanteilen.


  • Beispiel: In Pflegestufe 1 (65–95 Stunden Betreuungsbedarf monatlich) liegt das Pflegegeld monatlich bei rund 200 Euro – gemessen an den erforderlichen Stunden eine schmale Unterstützung.


  • Ergebnis: Nur maximal 35 % der Pflegegeldbeziehenden erhalten professionelle Hilfe – und selbst diese deckt nur etwa ein Zehntel des tatsächlichen Stundenbedarfs ab.


Kritikpunkt: Es entsteht ein paradoxes System, bei dem Betroffene aus dem Gesundheitssystem in die Pflege gedrängt werden – obwohl eine frühere, professionelle Pflege eine günstigere und wirkungsvollere Variante wäre.


3. Prävention fehlt – und mit ihr eine Chance

  • Der Artikel betont, dass Prävention (insbesondere tertiäre Prävention) kaum entwickelt ist.

  • Zwei zentrale Ressourcen für ein gesundes Altern sind erwiesen: körperliche Aktivität und soziale Kontakte.

  • In anderen Ländern – etwa in Dänemark – beginnt professionelle Pflege schon ab einer Stunde pro Woche und wirkt so präventiv.

  • In Österreich hingegen: 0 Zuständigkeit, fragmentiertes System zwischen Gesundheit und Soziales, kaum Angebote für frühzeitige Pflege oder Betreuung.


Schlussfolgerung: Ein System, das erst dann eingreift, wenn Probleme bereits manifest sind, läuft Gefahr, deutlich ineffizienter und kostenintensiver zu arbeiten.


4. Internationale Vergleiche zeigen Potenzial

  • Österreich zählt zu den Ländern mit den höchsten Gesundheits­ausgaben in Europa.

  • Dennoch: Im Alter über 65 ist der Anteil Pflegebedürftiger in Österreich zwei- bis dreimal so hoch wie etwa in Schweden, Dänemark oder den Niederlanden.


  • In diesen Ländern wird mehr in Langzeitpflege investiert – mit dem Ergebnis: Die Menschen altern gesünder und bleiben länger selbstständig.


Impuls: Österreich könnte durch klügere Investitionen in frühzeitige Pflege und Prävention nicht nur Kosten senken, sondern Lebensqualität steigern.


5. Was bedeutet das für Patienten, Angehörige und die Gesellschaft?

  • Für die Betroffenen heißt das: häufiger und eher Pflegebedürftigkeit – oftmals mit großer Belastung für Angehörige.

  • Für Angehörige heißt das: eine unverhältnismäßige Rolle als Pflegekräfte, häufig ohne professionelle Unterstützung – und mit potenziellen Gesundheitsrisiken für sich selbst.

  • Für die Gesellschaft heißt das: immense Herausforderungen durch Kosten, Fachkräftemangel, steigende Pflegestunden und ein System, das in dieser Form langfristig nicht tragfähig scheint.


6. Handlungsempfehlungen – wohin sollte der Weg gehen?

  1. Frühzeitige Interventionen aufbauen: Das heißt nicht erst pflegen, wenn Stundenbedarf vorliegt, sondern sehr viel früher ansetzen – z. B. durch Hausbesuche, Gesundheits-Checks, Bewegungs- und Sozialaktivitätsprogramme im Alter.

  2. Systemgrenzen überwinden: Die Trennung zwischen Gesundheits- und Sozialsystem hindert effiziente Pflege- und Betreuungsformen. Kompetenzen müssen gebündelt und Zuständigkeiten klar gelegt werden.

  3. Professionelle Pflege stärken: Statt auf informelle Pflege allein zu setzen, gilt es professionelle Leistungen auszubauen – und diese als Prävention zu verstehen, nicht nur als Rettung im Notfall.

  4. Finanzierung anpassen: Der aktuelle Fokus auf Geldleistungen allein greift zu kurz. Eine Mischung aus Sach-, Geld- und Dienstleistungsorientierung kann langfristig effektiver sein.

  5. Internationale Best Practices adaptieren: Länder wie Schweden, Dänemark oder Niederlande zeigen, wie gesundes Altern gelingen kann – Österreich sollte diese Modelle als Inspiration nutzen.


Fazit

„Wir pflegen uns arm“ – dieser Satz bringt es auf den Punkt: Österreich gibt viel Geld im Gesundheitsbereich aus, erreicht aber durch sein aktuelles Pflegesystem nicht die gewünschten Ergebnisse. Das System belohnt zu wenig Prävention, setzt zu stark auf informelle Betreuung und ignoriert die wertvollen Potenziale frühzeitiger, professioneller Pflege. Wenn sich hier nichts ändert, drohen nicht nur steigende Kosten – sondern eine spürbare Verschlechterung der Lebensqualität vieler älterer Menschen. Es ist höchste Zeit für ein Umdenken – für das Altern mit Würde, Gesundheit und Selbstständigkeit.


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