„Ärztemangel in Österreich: Die Uhr tickt“
- Bernhard Suler
- 10. Aug.
- 2 Min. Lesezeit
In den kommenden zehn Jahren steht Österreichs Gesundheitswesen vor einer massiven Herausforderung: Ein großer Teil der heutigen Ärztinnen und Ärzte wird den Beruf altersbedingt verlassen – und der Nachwuchs reicht bei weitem nicht aus, um diese Lücke zu schließen.
Schon jetzt ist deutlich sichtbar, wohin die Reise geht: Mehr als jeder dritte Arzt bzw. jede dritte Ärztin ist bereits über 55 Jahre alt. Wenn dieser Trend anhält, werden innerhalb einer Dekade rund 18.000 Ärzt:innen in Pension gehen – das ist mehr als ein Drittel der gesamten Belegschaft.
Warum das Problem größer ist, als es klingt
Auf den ersten Blick könnte man meinen, es gäbe „einfach“ zu wenige Ärzt:innen. Die Realität ist jedoch komplexer. Um den derzeitigen Stand der medizinischen Versorgung zu halten, bräuchte es jedes Jahr etwa 1.800 bis 1.900 neue Mediziner:innen. Doch tatsächlich schaffen es nur rund 900 ins System – und das ohne zusätzlichen Bedarf durch Bevölkerungswachstum oder neue medizinische Anforderungen.
Die Gründe für die Lücke
Abwanderung nach dem Studium: Zwar gibt es jährlich fast 1.900 Studienplätze für Medizin, doch nur etwa 72 % schließen auch tatsächlich ab. Von diesen zieht es wiederum ein Drittel ins Ausland – oft wegen besserer Arbeitsbedingungen und höherer Bezahlung.
Neue Arbeitsmodelle: Junge Ärzt:innen möchten oft weniger Stunden arbeiten, setzen auf Teilzeit oder Jobsharing. Das sorgt für mehr Work-Life-Balance – bedeutet aber, dass mehr Köpfe gebraucht werden, um denselben Versorgungsumfang zu stemmen.
Unattraktivität des Kassensystems: Lange Wartezeiten, offene Stellen und überlastete Strukturen machen den Beruf im öffentlichen System weniger attraktiv. Viele bevorzugen private Praxen oder den Wechsel in andere Bereiche.
Das öffentliche System unter Druck
Die Bevölkerung Österreichs ist in den letzten 20 Jahren von 8 auf 9,2 Millionen gewachsen – und sie wird nicht nur größer, sondern auch älter. Mit dem Alter steigt der medizinische Betreuungsbedarf. Gleichzeitig bleibt die Zahl der Kassenärzte nahezu unverändert. Das Ergebnis: Engpässe, längere Wartezeiten und steigender Frust bei Patient:innen wie bei Ärzt:innen.
Der Präsident der Österreichischen Ärztekammer bringt es auf den Punkt: „Es gibt keinen generellen Ärztemangel – es gibt einen Ärztemangel im öffentlichen System.“
Was jetzt passieren muss
Wenn nicht gegengesteuert wird, droht in wenigen Jahren eine deutliche Verschlechterung der medizinischen Grundversorgung. Notwendig wären:
Attraktivere Arbeitsbedingungen im Kassensystem
Mehr Ausbildungsplätze – und Programme, um Absolvent:innen im Land zu halten
Strukturen, die Teilzeitmodelle abfedern und gleichzeitig Versorgungslücken schließen
Vorsorge mit privater Kranken(Zusatz)-versicherung
Die Zeit drängt. Denn in der Medizin dauert es Jahre, bis aus einem Studienanfänger eine fertig ausgebildete Ärztin oder ein fertiger Arzt wird. Wer heute nicht handelt, spürt die Folgen erst, wenn es längst zu spät ist.




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